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Kreuzfahrten boomen

Mit Volldampf voraus: Der deutsche Marktführer in der Kreuzfahrtbranche, Aida Cruises, lässt sein zehntes Schiff bauen. Auch die Konkurrenz will weiter wachsen. Doch wird es auch genug Nachfrage geben?

Aida Cruises hat den neuen Konkurrenten auf dem Markt im Auge. Foto: Oliver Heider

Eine Diva, eine Schöne und eine Mondgöttin gehören der Flotte an – alle mit rotem Kussmund vorne am Bug. Diva, Bella und Luna heißen die schwimmenden Erlebnishotels, mit denen die Rostocker Kreuzfahrt-Reederei Aida Cruises Reisende anlockt. Insgesamt können auf den derzeit sieben Aida-Schiffen 12054 Gäste zeitgleich auf hoher See urlauben. In den nächsten beiden Jahren kommen zwei Schiffe dazu. Der Bau eines weiteren dieser Größe wurde jüngst bei der Meyer Werft in Papenburg für 300 Millionen Euro in Auftrag gegeben. Die neuen Luxusdampfer werden jeweils Platz für fast 2200 Passagiere bieten. Die Gesamtkapazität aller Schiffe soll so bis 2013 auf 18 634 steigen.

Aida-Sprecher Hansjörg Kunze: „Wir sind vom Wachstumspotenzial des deutschsprachigen Marktes überzeugt.“

Kann dieser rasante Wachstumskurs gut gehen? Zieht die Nachfrage tatsächlich so stark an? Ja, meint Aida-Cruises-Pressesprecher Hansjörg Kunze. „Wir sind vom Wachstumspotenzial des deutschsprachigen Marktes, vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz überzeugt.“ Schon dieses Jahr seien einige Routen stark überbucht gewesen. Er geht davon aus, dass sich die Passagierzahlen weiter steil nach oben bewegen werden – vor allem wegen den „vielfältigen Wellness- und Unterhaltungsangeboten sowie der hohen Qualität des Services“. Und jede zusätzliche Destination setzt neue Akzente. Zu europäischen und karibischen Zielen sind Südamerika, Nordamerika und Asien im aktuellen Katalog hinzugekommen.

2009 waren auf den Aida-Clubschiffen 414 000 Passagiere, im Schnitt 42 Jahre alt, an Bord – ein Plus von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz stieg um 27 Prozent auf 722 Millionen Euro. Aida Cruises ist damit Marktführer unter den Kreuzfahrt-Reedereien, die sich auf deutschsprachiges Publikum konzentrieren. Insgesamt nahmen im vergangenen Jahr hierzulande laut dem Deutschen Reiseverband 1,4 Millionen Menschen an einer Hochsee- oder Flusskreuzfahrt teil (plus 10 Prozent). Für das laufende Jahr erwartet die Branche ein Wachstum von bis zu 15 Prozent. Tendenz: stark steigend.

SeaConsult-Marktanalystin Miriam Schmenner: „Ein Teil der bisherigen Land-Pauschalurlauber konvertiert zu Kreuzfahrt-Passagieren.“

Dass dieser Trend abrupt enden könnte, sieht die Hamburger Beraterfirma SeaConsult nicht. Inhaber Helge Grammerstorf prognostiziert für 2018 zwei Millionen deutsche Kreuzfahrer. Das wären doppelt so viele wie heute. Doch woraus speist sich dieser Boom? „Ein Teil der bisherigen Land-Pauschalurlauber konvertiert zu Kreuzfahrt-Passagieren“, erklärt SeaConsult-Marktanalystin Miriam Schmenner.

Während die Zahl der klassischen Kreuzfahrer schrumpft, zieht es immer mehr „Best Ager“ auf die Schiffe: Leute über 50, nicht reich, aber gut situiert, leger im Umgang. Noch stärker wächst die Zahl derjenigen, denen das Zielgebiet nur bedingt wichtig ist, umso mehr aber der Spaß an Bord. Diese Gruppe tummelt sich auf Schiffen von Aida, Costa oder MSC – zu Preisen von 50 bis 1000 Euro pro Nacht, je nach Route, Kabine, Verpflegung und Frühbucherrabatt. Trotz des wachsenden Angebots seien beim Reisepreis „keine maßgeblichen Änderungen zu erwarten“, sagt Schmenner, wenngleich es kurzfristig zu mehr Sonderangeboten kommen könne.

Tui Cruises ist ein Joint-Venture aus Tui und Royal Caribbean Cruises

Den Marktführer Aida langsam verfolgen will der Tui-Konzern. Neben den vier Hapag-Lloyd-Schiffen, die Tui gehören und sich an die klassische Kreuzfahrer-Klientel richten, fährt seit 2009 die „Mein Schiff“ durch die Meere. Tui Cruises, ein Joint-Venture aus Tui und Royal Caribbean Cruises, kaufte mitten in der Wirtschaftskrise ein 13 Jahre altes Schiff und baute es um.

Im Mai 2011 soll die „Mein Schiff 2“ folgen. Der Ozeanriese stammt aus der Royal-Caribbean-Flotte und soll für 50 Millionen Euro in Schuss gebracht werden. Auch er wird beliebt sein bei Familien und Paaren, die ihren gehobenen Lebensstils bei Steaks, Sushi oder Tapas genießen und zugleich Ruhe, Wellness und Unterhaltung wollen. Party und Animation sind dagegen weniger willkommen. Zu den Zielen gehören die Nord- und Ostsee, das Mittelmeer und die Karibik.

Tui-Cruises-Sprecherin Friederike Grönemeyer: „Wir sind sehr gut gebucht für beide Schiffe.“

„Tui Cruises schließt die Lücke zwischen der traditionellen Kreuzfahrt und den Clubschiffen“, erklärt Pressesprecherin Friederike Grönemeyer. Zwischen Captains-Dinner und Partyschiff also. Passagier- und Umsatzzahlen will sie nicht nennen, nur so viel: „Wir sind sehr gut gebucht für beide Schiffe.“ Zu weiteren strategischen Zielen wolle sich der Konzern derzeit nicht äußern.

Richard J. Vogel dürfte aber wohl ein weiteres Wachstum anvisieren. Der erfahrene Tui-Cruises-Geschäftsführer war es, der vor 16 Jahren den teuren, kräftig verstaubten Pauschalurlaub auf hoher See aus einem Nischendasein holte. Vogel ist nämlich einer der geistigen Väter der Aida-Clubschiffe – und jetzt ein Konkurrent der Kussmund-Flotte.

*** Dieser Artikel ist am 27.08.2010 in der SÜDWEST PRESSE erschienen. ***

Über Oliver Heider (37 Beiträge)
Journalist. Blogger. Reisender.

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